Der Mythos lebt
Der Mythos, das sind mittlerweile 40 Jahre Jugendfreizeit in der Natur Südschwedens. Das sind Freizeiten in einer Blockhütte ohne Strom, Wasser und sonstige Annehmlichkeiten des gewohnten Alltags. Das sind unzählige Erlebnisse, Programmpunkte, Erinnerungen mit Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 15 Jahren. Das sind Geschichte und Zukunft von vielen Mitarbeitergenerationen, die über Jahre hinweg, durch ihr ehrenamtliches Engagement, ihre Kreativität und durch ihre zahllosen Ideen den Mythos gelebt und weiter getragen haben.
Auf das Schweden das bleibt, was es war und ist: Ein einzigartiges Erlebnis für Jugendliche auf dem Weg zum Erwachsenwerden, in unberührter Natur und einer Landschaft, die ihresgleichen sucht.
Nun viel Spaß beim Lesen
Ihr/Euer
Jörg Zahlmann
Brotbacken im Steinbackofen
Brot — nicht nur eine Geschichte für sich
Wir wollten anders sein Anfang der 1980 Jahre. Wir waren friedensbewegt: „Frieden schaffen ohne Waffen“ war unser Slogan. Wir setzten Zeichen auf Demos und Kirchentagen:
- Gegen die Stationierung von Atomraketen
- Gegen Atomkraft
- Gegen den Hunger in der Welt
Wir wollten alternativ leben: in Wohngemeinschaften und auf dem Land. Wir fuhren auf Freizeiten:
- mit Interrail quer durch Europa
- mit dem Rad durch Südfrankreich
- mit dem Bulli nach Schweden
Dabei entdeckten wir unsere große Liebe
- ein freistehendes Haus am See
- sechs Kilomenter vom Dorf entfernt
- ohne Strom
- ohne fließend Wasser
- ohne irgendeine Ausstattung
- aber mit Plumsklo
- für eine Jugendfreizeit völlig ungeeignet!
Doch wir wagten es! „Freaks auf Tour“ hieß das erste Freizeitmotto 1983. Mit Besteckbeutel, Schlafsack und Trinkflasche ging es in Richtung Schweden los.
Wir fühlten uns alternativ und frei, kochten auf Holzfeuer, sammelten Blaubeeren und Pfifferling und versuchten, Fische im See zu angeln. Der See lieferte uns die Grundlagen zum “Überleben” in dieser rauhen Wildnis. Wir wuschen uns im See und bezogen unser Trinkwasser aus dem See (in der umgekehrten Reihenfolge natürlich, doof waren wir nicht). Milch und Eier gaben uns freundliche Bauern aus der Nähe. Nur eines konnten wir nicht organisieren! Gutes Brot, das wir alle von Zuhause kennen und schätzen. Nicht das langweilige, labbrige Weißbrot ohne Geschmack und Konsistenz, was scheinbar in der ganzen Welt als Brot aufgefasst wird. Wir brauchten geschmackvolles, dunkles und kräftiges Brot, welches auch den Namen Brot verdiente und die Kaumuskeln trainierte.
Wir hatten plötzlich eine Mission
So wurde der erste Brotbackofen gebaut. Backferment war das Treibmittel für tolles Steinbackofenbrot. Ernährung und Backen beherrschten den Tagesrhythmus der ersten Freizeiten in Schweden. Die Idee wurde mit in die Kirchengemeinde nach Marl genommen. Eine Brotbackgruppe entstand. Acht Jahre lang wurde einmal im Monat eine ganze Woche Brot gebacken und auf dem Wochenmarkt am Samstag verkauft.
Doch die Zeiten ändern sich. Ende der achtziger Jahre entdeckten Bäcker die Vielfalt von verschiedenen Brotsorten und verkauften diese erfolgreich.
Freak und Öko sein, war nicht mehr so angesagt. Durch Berufswechsel löste sich letztendlich die Brotback Gruppe der Gemeinde auf.
Doch das Haus am See blieb.
Das Jugendzeltlager mit anderen Themenschwerpunkten wurde eine Konstante in der ev. Jugendarbeit in Marl und des Kirchenkreises.
Mittlerweile war die Schwedenfreizeit zum Mythos ganzer Generationen geworden. Um diesen abzusichern, gründeten die ehemaligen Freaks den Freizeit Freunde Schweden e.V. Und 2015 wurde ein Traum wahr. Die Centrumskyrkan verkaufte an die Freizeit-Freunde-Schweden ihr Haus am See, welches nun unser Eigentum wurde. Seitdem hat sich viel getan:
- Ein ökologisches Kleinod ist entstanden.
- Fließendes Wasser kommt aus einem Brunnen durch einer Pumpe, die mit Solar-Strom betrieben wird
- Neubau eines Waschhauses mit Bio Trockentoilette
- Stromversorgung über Solar-Module
Was wurde aus dem Brotbacken?
Es bedurfte einer Inspiration aus Schweden. Das Thema Nachhaltigkeit und Ökologie wurde wieder zum Hit. Fridays for Future macht Dampf und alle Welt entdeckt ein altes Thema wieder.
Wir haben das Brot-Backen wieder entdeckt! Doch wir haben jetzt mehr Wissen, bessere Techniken und mehr Möglichkeiten.
Ein Ofen mit Holzfeuerung und Katalytoren wurde dank juenger goes green (einem Sonderförderprogramm nachhaltige Freizeiten 2022) erworben und im Mai durch Mitarbeiter aufgebaut.
Viele Brotback Experimente wurden ausprobiert. Backferment als Treibmittel schied aus. Vier Tage und eine sichere Wärmequelle sind für die Freizeit nicht praktikabel. Wir brauchten daher eine Alternative. Wir sind im Mühlenlädle fündig geworden und verwenden nun eine Brotbackmischung. Der Zeitaufwand verringert sich auf einen halben Tag für zehn Brote. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Nach 40 Jahren backen wir wieder selbst Brot. Freaks bleiben halt irgendwie Freaks.
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